Die „süße“ Frau Göring und die schokofarbene NS-Zeit

Licht aus. Spot an. Auftritt Emmy Göring. Leicht unsicher betritt sie die Kulissen des Fernsehstudios, in dem auf einer Großbildleinwand zuvor eine kurze einleitende Dokumentation über das Leben ihres Mannes Hermann Göring lief – der wichtigste Mann im Dritten Reich nach Adolf Hitler.

Irritiert schaut Frau Göring, grandios gespielt von Doris Dubiel, in den Publikumsraum der Garage Erlangen. Die Zuschauer, die sich am 29.05. dort einfanden, wurden somit zu einem fiktiven Fernsehpublikum, das gespannt auf das Interview mit der Frau wartete, die zu einer seltenen und vielleicht auch der wichtigsten Zeitzeugin der machthabenden Seite der NS-Zeit wurde.

© Theater Regensburg

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Und plötzlich spricht sie ganz ungeachtet der Frage, die ihr gestellt wurde drauf los. „Und sie sahen so elegant aus in ihren schokobraunen Uniformen…so elegant.“ Schwärmend und voller Leidenschaft berichtet Emmy, wie sie ihren Ehemann das erste Mal in Weimar erblickte – in seiner braunen Uniform, die sie an die geliebte Milchschokolade erinnert, die ihr Vater, ein Schokoladenfabrikant, herstellte. In ungebrochener Treue zur Gesinnung des Nazireiches erzählt sie weiter über die alten Zeiten an der Seite ihres Mannes – ein Glamourpaar, das im Dritten Reich seinesgleichen suchte.

Werner Fritsch hat für das eigentliche Hörspiel „Enigma Emmy Göring“, das 2006 als Hörspiel des Jahres und 2007 mit dem ARD-Hörspielpreis ausgezeichnet wurde, Prozessakten, sowie die Biographie Emmy Görings eifrig studiert und daraus diesen wahnwitzigen Monolog einer Frau geschaffen, die sich keinerlei Schuld bewusst ist.
Die Verlagerung der Szenerie in ein Fernsehstudio war eine fantastische Idee der Regisseurin Birgit Bagdahn vom Theater Regensburg. Der Monolog gewinnt so an Struktur, auch wenn die wichtige Zeitzeugin keineswegs auf die Fragen des sich im Off befindenden Moderators eingeht, geschweige denn, sich von den Filmeinblendungen auf der Leinwand hinter ihr ablenken lässt. Sie spricht einfach drauf los, erzählt ohne große Zusammenhänge von den Ostertagen im Jagdschloss Carinhall im Spreewald, vom dekadenten Frühstück im Bett, von Kokainräuschen und schlüpfrigen Momenten mit ihrem Ehemann – dabei merkt sie gar nicht, wie sehr sie die Strukturen ihres Alltages beinah beschämend entlarvt. Dem Publikum erzählt sie auf erschreckende und verstörende Art mit naivem Gerede, was sie erlebte und macht damit die grausame Wirklichkeit für jeden spürbar.

Nun kann man natürlich fragen: Darf man das? Darf man das sensible Thema NS-Zeit, das schwarze Tuch unserer deutschen Geschichte, so ins Lächerliche ziehen?

©Theater Regensburg

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Antwort: Ja, man darf! Unbedingt sogar! Wieso sollte es verboten sein etwa durch einen satirischen Zugriff aufzuzeigen, welche Fehler geschehen sind und wie die Machthaber der NS-Zeit diese begangen haben? Eine vorsichtige und nüchtern-distanzierte Betrachtungsweise, wie sie Dokumentationen liefern, gab es doch zu Genüge. Das Bloßstellten all der Vorkommnisse ist eine durchaus angebrachte scharfe Kritik und keineswegs ein Schönreden der Ereignisse. Das Nutzen des „Zeitzeugen erinnern sich“-Genre wurde bei Enigma Emmy Göring dermaßen bitterböse genutzt, dass einem das Lachen im Halse steckenbleiben konnte und somit ein deutliches Wachmachen des Publikums erzeugt wurde. Eine Kritik am Nationalsozialismus hat es in der heutigen Zeit, wo es doch schon so viele gab, nicht mehr leicht durchzudringen. Der satirische Monolog hingegen schafft dieses im Besonderen und auf ungewohnte Art.

Allumfassend wurde dem Publikum der Garage Erlangen eine großartige Inszenierung geboten, die von der Schauspielerin Doris Dubiel sehr überzeugend getragen wurde.

 

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